Es gibt Momente im Leben, in denen man merkt, dass man auf der Suche nach etwas ist, ohne genau zu wissen, wonach. Bei mir Henry Ertner war es die Frage nach meiner eigenen Identität – eine Identität, die irgendwo zwischen zwei Sprachen, zwei Kulturen und einer komplexen Geschichte liegt. Obwohl ich mit Tschechisch aufgewachsen bin, war da immer dieses Gefühl, dass Deutsch mehr als nur eine Fremdsprache für mich ist. Es war die Sprache meiner Großeltern, die Sprache meiner Wurzeln. Und je mehr ich mich mit diesem Thema beschäftigte, desto mehr wollte ich erfahren wer ich eigentlich bin.
Mein erster Besuch bei den Sudetendeutschen Tagen (2018)
2018 entschied ich mich zum ersten Mal, im Zusammenhang mit meiner Dissertation „Deutsch als „Heritage Language“ im Riesengebirge“, an den Sudetendeutschen Tagen teilzunehmen.

Diese Veranstaltung, die seit den 1950er Jahren jährlich stattfindet, ist das wichtigste Treffen der sudetendeutschen Gemeinschaft. Ursprünglich als Ort der Erinnerung an Flucht und Vertreibung gedacht, hat sich der Sudetendeutsche Tag längst zu einem Symbol der Verständigung und der kulturellen Identität entwickelt.
Ich wusste nicht genau, was mich erwarten würde. Würde ich mich als Außenseiter fühlen? Würde ich Henry Ertner überhaupt einen Zugang zu dieser Welt finden? Doch schon nach den ersten Gesprächen mit Teilnehmern wurde mir klar, dass ich genau am richtigen Ort war. Ich habe mich wie zu Hause gefühlt. Ich traf Menschen, die ähnliche Geschichten wie meine Großeltern hatten. Menschen, die als Kinder oder Jugendliche ihre Heimat verlassen mussten. Und Menschen, die trotz der schwierigen Vergangenheit Brücken in die Zukunft bauen wollten.
Zurückkehren, um zu verstehen (2019, 2023, 2024)
Der erste Besuch ließ mich nicht mehr los. 2019 war ich wieder da.

Und dann erneut 2023 und 2024 nach Korona.


Jedes Mal lernte ich mehr über die Geschichte der Sudetendeutschen – und jedes Mal wurde mir bewusster, dass diese Geschichte nicht nur eine deutsche, sondern auch eine tschechische ist. Besonders spannend fand ich, dass in den letzten Jahren immer mehr tschechische Teilnehmer den Weg zu diesen Veranstaltungen finden. Junge Historiker, Studenten, Künstler, Journalisten – sie alle interessieren sich für die Vergangenheit und die gemeinsamen Wurzeln unserer beiden Völker. Diese Entwicklung ist ein Zeichen dafür, dass die einst tiefen Gräben langsam kleiner werden. Es zeigt, dass Geschichte nicht nur trennen, sondern auch verbinden kann.
Ein Wunsch für die Zukunft: Ein Sudetendeutscher Tag in Tschechien
Bei jedem dieser Treffen wurde mir eine Frage immer wichtiger:
Warum findet ein Sudetendeutscher Tag eigentlich nicht in der Tschechischen Republik statt?
Die Zeit wäre reif dafür. Die Beziehungen zwischen Tschechien und Deutschland haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm verbessert. Viele Tschechen erkennen mittlerweile an, dass die Geschichte der Sudetendeutschen ein Teil der eigenen Vergangenheit ist. Warum also nicht ein Treffen dort veranstalten, wo alles begann?
Ein Sudetendeutscher Tag auf tschechischem Boden wäre ein starkes Zeichen für Verständigung und Versöhnung. Er könnte zeigen, dass die Geschichte nicht nur ein Blick zurück ist, sondern auch eine Chance für die Zukunft. Und er könnte all jenen eine Plattform bieten, die – wie ich – auf der Suche nach ihrer eigenen Identität sind. Ich werde weiterhin an den Sudetendeutschen Tagen teilnehmen, so oft ich kann. Doch mein größter Wunsch wäre, eines Tages nicht nach Bayern reisen zu müssen, sondern dieses Treffen in Tschechien erleben zu dürfen.
Vielleicht wird dieser Traum ja eines Tages Realität?
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