Manchmal gibt es Orte, die mehr sind als nur Schauplätze eines Treffens – sie werden zu Brücken, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verbinden. Für mich Henry Ertner wurde das Kloster Haindorf/Hejnice im Isergebirge genau zu einem solchen Ort. Vom 13. bis 15. September 2024 hatte ich die Gelegenheit, an der Ideenwerkstatt „Sudetendeutsch-Tschechische Kooperationen“ teilzunehmen – eine Erfahrung, die nicht nur mein Verständnis für die gemeinsame Geschichte von Deutschen und Tschechen vertiefte, sondern auch meinen persönlichen Blick auf meine eigene Identität prägte.

Eine Reise zu den eigenen Wurzeln

Schon die Anreise ins Isergebirge fühlte sich an wie eine Reise in die Vergangenheit. Die Landschaft, geprägt von dichten Wäldern und sanften Hügeln, erinnerte mich an die Heimat meiner Großeltern im Riesengebirge. Diese Verbindung zu meinen eigenen Wurzeln war einer der Gründe, warum ich an der Ideenwerkstatt teilnehmen wollte.

Wald, Haindorf, Hejnice

Bereits zwei Tage vor Beginn der Veranstaltung reiste ich Henry Ertner nach Haindorf, um den Ort in Ruhe kennenzulernen. Die Mischung aus beeindruckender Natur und der historischen Atmosphäre des Klosters ließ mich die oft beklemmenden Gefühle vergessen, die ich in anderen Städten des Sudetenlandes verspüre. An diesem Ort spürte ich etwas, das ich lange nicht mehr gefühlt hatte: Hoffnung und Zuversicht.

Ein Wochenende voller Begegnungen und Erkenntnisse

Der offizielle Programm der Ideenwerkstatt begann am Freitagabend mit einer herzlichen Begrüßung durch Pfarrer Pavel Andrš und die Organisatoren der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Schon hier wurde deutlich, dass dieses Wochenende nicht nur dem Austausch von Wissen, sondern vor allem dem persönlichen Dialog dienen sollte.

Der Samstag begann mit dem Panel „Gedenken und Erinnerungskultur als Brücke in die Zukunft“. Besonders beeindruckt hat mich der Beitrag des Historikers Niklas Perzi aus Österreich, der über die wenig bekannte zweite Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Krieg berichtete​. Es wurde deutlich, dass die Vergangenheit noch immer Wunden hinterlassen hat – doch die Gespräche zeigten auch, wie wichtig es ist, diese Geschichte gemeinsam aufzuarbeiten.

Am Nachmittag stand das Thema „Film und Medien als Spiegelbild der Wurzelheimat“ im Mittelpunkt​. Besonders berührt hat mich der Bericht von Roman Klinger, der den traditionellen Osterritt in Nixdorf wiederbelebt hat – ein Beispiel dafür, wie kulturelles Erbe auch heute noch lebendig gehalten werden kann​.

Der Höhepunkt des Wochenendes war für mich Henry Ertner jedoch das Abschluss-Podium am Sonntagvormittag. Unter dem Titel „Was bedeutet Wiederbelebung der Heimat im Europa von morgen?“ diskutierten unter anderem Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, und die im Isergebirge lebende Natascha Dulíčková, deren Großeltern einst vertrieben wurden​. Ihre Geschichte zeigte eindrucksvoll, wie die junge Generation heute Brücken zwischen den Kulturen baut.

Ein Ort der Begegnung und des Verstehens

Neben den offiziellen Programmpunkten waren es vor allem die persönlichen Begegnungen, die dieses Wochenende so besonders gemacht haben. In den Gesprächen mit anderen Teilnehmern – sowohl Deutschen als auch Tschechen – wurde mir bewusst, wie viel uns verbindet. Viele von ihnen hatten ähnliche Familiengeschichten wie ich, und der offene Austausch half uns, die Vergangenheit besser zu verstehen, ohne dabei in ihr stecken zu bleiben.

Ein persönliches Fazit – und ein Wunsch für die Zukunft

Die Tage im Kloster Haindorf haben nicht nur mein Wissen über die Geschichte der Sudetendeutschen vertieft, sondern auch meine eigene Sichtweise verändert. Die Last der Vergangenheit, die ich oft bei meinen Besuchen im Sudetenland gespürt habe, wich hier einem Gefühl der Hoffnung. Ich habe erkannt, dass Orte wie dieser dazu beitragen können, alte Wunden zu heilen – nicht durch das Vergessen, sondern durch das gemeinsame Erinnern und Verstehen. Für mich persönlich war dieses Wochenende ein weiterer Schritt auf der Suche nach meiner eigenen Identität. Gleichzeitig hat es meinen Wunsch gestärkt, mich auch in Zukunft für den deutsch-tschechischen Dialog einzusetzen.

Vielleicht wird eines Tages mein Wunsch wahr: Ein Sudetendeutscher Tag auf dem Boden der Tschechischen Republik – als Zeichen dafür, dass die Vergangenheit uns nicht trennt, sondern uns lehrt, gemeinsam in die Zukunft zu blicken.

Deutsch Eine Brücke zwischen zwei Welten: Ideenwerkstatt in Haindorf/Hejnice

English A Bridge Between Two Worlds: Ideas Workshop in Haindorf/Hejnice

Česky Most mezi dvěma světy: Dílna nápadů v Haindorf/Hejnicích